Wenn man sich selbständig macht, beschäftigt man sich mit vielen Themen: Was muss ich bei der Buchführung beachten? Wo muss ich mich überall anmelden? Wie schreibe ich eine Rechnung? Was dabei oft auf der Strecke bleibt: dass nicht nur dein Wissen über das deutsche Steuerrecht wachsen muss, sondern vor allem dein Wissen über dich selbst als treibende Kraft in deinem Unternehmen.
Foto: Annabelle Sagt
MEINE PERSÖNLICHE GESCHICHTE
Wie die meisten Gründer beschäftigte auch ich mich zunächst mit den “dringlichen” Themen, ohne mich selbst, meinen persönlichen Antrieb und meinen Umgang mit Stress besser kennenzulernen. Im zweiten Geschäftsjahr musste ich feststellen, dass das ein Fehler war.
Ich war an meiner Belastungsgrenze, konnte nicht mehr abschalten und war – und das, obwohl es geschäftlich gut lief – sehr, sehr unglücklich. Eine (heute) witzige Anekdote: als mein Mann einen Tag frei hatte, standen wir um 6 auf und fuhren ins Atelier, weil er mir helfen musste, ein Kleid für die Anprobe am selben Tag zu heften (ja, er kann nähen!). In solchen Momenten sieht man, was für einen wunderbaren Menschen man an seiner Seite hat. Gleichzeitig muss man sich aber auch eingestehen, dass es so nicht weitergehen kann.
In diesem Jahr bin ich in mein viertes Geschäftsjahr gestartet und insgesamt super zufrieden. Ich fühle mich ausgeglichen und glücklich und bin sehr dankbar für jeden einzelnen wundervollen Auftrag, anstatt mich davon gehetzt zu fühlen. Ich bin mir ganz sicher, dass auch einige von euch gerade zu kämpfen haben und dachte mir, ich schreibe selbst einfach mal den Beitrag, für den ich vor zwei Jahren sehr, sehr dankbar gewesen wäre.
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HALLO, LEBEN! DA BIST DU JA WIEDER.
1. Es gibt immer etwas zu tun
Seit drei Jahren habe ich zu jeder Zeit mindestens einen Punkt auf meiner To-Do-Liste. Darunter sind dringliche Punkte, aber auch Dinge, die ich gerne “irgendwann einmal” in die Tat umsetzen würde. Mir hat die Erkenntnis gut getan, dass es immer etwas zu tun gibt – ich aber deshalb trotzdem nicht ständig unter Strom stehen darf und möchte. Mir persönlich hat es geholfen, für mich klare Zeiten zu definieren, zu denen ich arbeite und zu denen ich frei habe.
Auch wenn ich es nicht immer schaffe: meistens versuche ich, in meiner Freizeit streng mit mir zu sein und sich wiederholende Gedanken an die Arbeit sanft, aber bestimmt beiseite zu schieben. Wenn sich ein paar Abend- oder Wochenendschichten dennoch nicht vermeiden lassen, verwöhne ich mich danach wie ein kleines Kind: mit einem Frisörbesuch, einer Massage oder einfach ein wenig Trödeln auf dem Arbeitsweg. Zeig dir selbst Liebe, Aufmerksamkeit und Dank für deine Arbeit.
2. Hol dir Hilfe
Für mich persönlich war die wichtigste Erkenntnis: ich schaffe es nicht allein, ich muss mir Unterstützung holen. In meinem Fall bedeutete das, eine Schneiderin einzustellen, die mich seither tatkräftig bei der Fertigung unserer Brautkleider unterstützt. Schon eine 20-Stunden-Stelle kann hier einen großen Unterschied machen – oder beispielsweise das Abgeben von Aufgaben an den Steuerberater. Wenn du Gründerin bist, gibt es sogar Fördermöglichkeiten für neue Mitarbeiter.
Als Alphaweibchen fiel mir die Entscheidung, einen Teil meiner Aufgaben zu delegieren, gar nicht leicht – und als Kontroll-Freak hatte ich natürlich Angst vor dem, was vielleicht kommen mag. Werde ich den Lohn regelmäßig bezahlen können? Wird die Person meine Ansprüche erfüllen? Kurz gesagt: die Entscheidung, meine Mitarbeiterin (und später noch meine Auszubildende) einzustellen, war die beste, die ich in den letzten drei Jahren für mein Unternehmen und mein persönliches Wohlbefinden getroffen habe! Ich habe es keinen einzigen Tag bereut.
Foto: Annabelle Sagt
3. Schaffe dir selbst Rituale
Mir persönlich helfen Rituale, in Balance zu bleiben und mir Zeit für die Dinge zu nehmen, die mir wichtig sind. Dazu gehören feste Zeiten für Sport und Entspannung sowie feste Pausen, aber beispielsweise auch der Mittwoch, an dem unser Laden geschlossen bleibt und ich mich um kreative Aufgaben oder die Umsetzung neuer Kleider kümmern kann – oder auch einfach mal in die Sauna gehe, wenn ich den Samstag zuvor arbeiten war. Außerdem liebe ich es, alleine Mittag essen zu gehen und die kommenden Wochen zu planen, aber setze mir auch Dates mit mir selbst für unliebsame Tätigkeiten wie die Planung der Finanzen.
4. Beschäftige dich mit Sport, Meditation & Achtsamkeit
Für mich ist Yoga genau der Ausgleich, den ich brauche, denn beim Ausüben der Asanas werde ich gezwungen, im Moment zu bleiben und mich auf die aktuelle Position zu konzentrieren. Ebenso geht es mir beim Bouldern: hier sind Grübeleien über die Arbeit gar nicht möglich, weil man so fokussiert bei der Sache sein muss. Es ist aber eigentlich egal, ob du joggen gehst oder täglich eine halbe Stunde auf dem Trampolin springst. Wichtig ist, dass du einen körperlichen Ausgleich zu deinem Alltag findest – und eine Sportart, die du magst und bei der du dranbleibst.
Im vergangenen Jahr habe ich außerdem angefangen, mich mit Meditation zu beschäftigen. Bis ich die App 7Mind entdeckte, wusste ich nie so genau, womit ich anfangen soll. Doch damit fiel mir der Einstieg wirklich leicht, denn 7 Minuten für eine geführte Meditation finde ich jeden Tag, wenn ich möchte. Die Techniken, die man beim Üben der Meditationen lernt, helfen auch, wenn man beispielsweise Probleme beim Einschlafen oder mit wiederkehrenden Grübeleien zu kämpfen hat. Außerdem fand ich die Erkenntnis hilfreich, dass Meditation nicht unbedingt heißen muss, im Schneidersitz auf einem Kissen zu sitzen. An einem stressigen Tag auf Arbeit koche ich mir einen Tee und konzentriere mich einige Minuten lang nur auf das Trinken das Tees. Wie riecht er, wie ist das Gefühl beim Trinken? Das selbe kann man beim Duschen, bei einem Spaziergang oder beim Essen praktizieren.
Foto: Annabelle Sagt
5. Beschäftige dich mit gesunder Ernährung
Was du isst, entscheidet ebenfalls zu einem großen Teil darüber, ob du dich energiegeladen und fröhlich fühlst oder müde und vollgestopft. In ruhigen Zeiten fällt es mir leicht, mich gesund zu ernähren und viel zu trinken. Wenn es stressiger wird, fällt das gerne mal hinten runter. Dann hilft es mir, wenn ich mir Anfang der Woche einen Plan mache, was es jeweils zu essen gibt und dafür einkaufe. Und wenn ich gesunde Zutaten zur Hand habe, die ich im Zweifelsfalle schnell snacken kann: Walnüsse zum Beispiel oder eine Banane, wenn die Zeit doch zu knapp wird für eine ausgiebige Mittagspause. Prinzipiell versuche ich aber immer, mir die Zeit für eine längere Mittagspause zu nehmen und in aller Ruhe etwas zu essen.
6. Verkaufe dich nicht unter Wert
Ihr findet es vielleicht seltsam, dass ich diesen Punkt hier erwähne, wo er doch scheinbar gar nichts mit Körper und Seele zu tun hat. Doch einer der Gründe, warum ich im zweiten Geschäftsjahr kurz vor dem Nervenzusammenbruch stand, war der, dass ich mich unter Wert verkauft hatte. Dadurch hatte ich jede Menge Aufträge, konnte es mir aber eigentlich nicht leisten, jemanden einzustellen, der mir hilft. Realistisch kalkulierte Preise schenken dir letztlich Zeit und kreativen Raum für das, was dir wichtig ist.
In meinem Falle haben mir höhere Preise das Einstellen meiner Mitarbeiterin und meiner Auszubildenden ermöglicht, wodurch ich Zeit für das gewonnen habe, was mir wichtig ist. In diesem Jahr konnten wir in ein größeres Atelier umziehen, das für uns und unsere Kunden einfach viel mehr Komfort bietet. Konzentriere dich auf das, was dich auszeichnet – dann kannst du auch rechtfertigen, warum dein Preis vielleicht höher ist als der eines Konkurrenten.
Foto: Annabelle Sagt
Ich hoffe, meine Tipps und Ideen haben dir weitergeholfen und dich vielleicht ebenfalls inspiriert, neben all den Business-Themen auch dein eigenes Wohlbefinden ganz weit oben auf deine To-Do-Liste zu schreiben. Ich wünsche dir ganz viel Freude bei der Umsetzung!
Deine
Hallo Laura,
mir gefällt Deinen Artikel sehr. Ich kann damit auch etwas anfangen, obwohl ich nicht selbständig bin, sondern angestellt. Alles Gute! Viele Grüße von Anka
Liebe Anka,
danke dir für dein liebes Feedback, das freut mich sehr. Und du hast recht, dass die Tipps – gerade zum Umgang mit Stress – sicher auch für viele Angestellte zutreffend sind.
Ganz liebe Grüße,
Laura
Den Post habe ich sehr gerne gelesen liebe Laura! Du weißt ja, dass es mit im letzten Jahr auch oft alles viel zu viel wurde. Dieses Jahr gelingt es mir viel besser alles unter einen Hut zu bekommen, Prioritäten zu setzen und meine Laune zu bewahren :D
Liebe Grüße!
Rosa
Liebe Rosa,
ich danke dir für deine lieben Worte, über die ich mich sehr freue! Toll, dass es dir schon viel besser gelingt – ich finde, das ist ein ständiger Prozess. Vor allem Nein sagen und Prioriäten zu setzen muss man erstmal lernen…
Ganz liebe Grüße,
Laura
wow, wie sympathisch du bist mit deiner ehrlichkeit. es steht und fällt mit ein paar tricks und kniffen.
ich lass mich gern von deinen erfahrungen inspirieren; arbeite selbst unabhängig als leitungsfunktion und mir kommt auch immer die frage nach dem arbeitsflow ins haus.
was ist wichtig? was ist wichtig und dabei wirklich vorrangig?
was mach ich gerne und kann es dazwischen schieben, wenn mir grad die luft ausgeht, um im arbeitsflow zu bleiben? uws.
und ausprobieren is noch n thema. ja so viel muss man einfach intuitiv in der praxis ausprobieren, danach übern haufen werfen; oder noch bissl an der umsetzung feilen.
liebste grüße!lila v.
Liebe Lila,
danke dir für deinen lieben Kommentar, ich hab mich sehr darüber gefreut! (: Deine Fragen finde ich auch super und sehr hilfreich, wenn es gerade mal nicht voran geht. Und immer zu üben und zu lernen ist ja eigentlich das Beste – so soll es sein.
Ganz liebe Grüße,
Laura